Skilltransfer Eisklettern in Cogne 2025

Skilltransfer Eisklettern in Cogne 2025

Nachdem die letzte Ausgabe des AACZ Ice Climbing Skill Transfer Workshops in Cogne beinahe einem gravierenden Mangel an kletterbarem Eis zum Opfer gefallen wäre, stand die Ausgabe 2025 unter wesentlich besseren Vorzeichen. Die kalten Temperaturen in den Wochen vor dem Workshop stimmten uns recht optimistisch, und als sich diesmal 20 Hüttli auf den Weg nach Italien machten, waren deutlich weniger Skier als Backup mit dabei.

Als wir gegen Mittag ankamen, machten sich die meisten von uns auf den Weg zu den Kaskaden von Liliaz. Wir hatten dieses Gebiet bereits im letzten Jahr erkundet, da der Zustieg weniger als eine halbe Stunde dauert. Damals mussten wir uns noch mit Drytooling begnügen, aber jetzt konnten wir tatsächlich kletterbares Eis finden! Zwar nicht im Überfluss, aber einige Linien hier machten uns sehr optimistisch, weiter oben in den Tälern gut geformte Eisfälle zu finden. Wir hatten das Gebiet – das so genannte Amphitheater – ganz für uns allein, so dass wir den Anfängern die richtige Technik beibringen konnten. Insgesamt hatte dieser erste Nachmittag mehr Ähnlichkeit mit einem echten Workshop als im letzten Jahr. Die Leute hatten Spass am Eisbouldern, konzentrierten sich auf die richtige Fusstechnik, und die eine gut geformten 10-Meter-Eissäule sah eine beträchtliche Anzahl von Besteigungen am Toprope. Doch nicht nur Eis wurde an diesem Tag geklettert, denn Harvey und Daniel liessen sich die Gelegenheit nicht entgehen, eine steile und schwierig aussehende Dry-Tooling-Route rechts des reissenden Fluss zu versuchen, der hinter dem oft dünnen Eis rauschte. Die Route zeichnete sich vor allem durch ihre Staubigkeit aus, aber schliesslich gelang es Daniel, sich bis nach oben vorzukämpfen.

Am Ende war unser erster Tag schon viel erfolgreicher als im letzten Jahr, und alle waren sehr gespannt darauf, was der nächste Tag bringen würde. Nach dem Abendessen im Hotel – das ein so üppiges Vorspeisenbuffet beinhaltete, dass einige überrascht waren, dass es noch weitere Gänge gab – steckte unsere Gruppe ihre Nasen tief in einige Kletterführer, während sie Seilschaften bildeten und Pläne für den nächsten Tag schmiedeten. Das war bei einer so grossen Gruppe nicht ganz einfach, aber schliesslich hatte jeder eine Route und einen Kletterpartner ausgewählt.

Am Freitagmorgen machte sich ein grosser Teil unserer Gruppe auf den Weg ins Valnontey-Tal, um einen der beliebtesten Eisfälle der Gegend zu klettern: den WI3+ Eisfall Patrì. Sie hofften, dass er an dieesm Tag weniger überlaufen sein würde als am Wochenende. Bas, Janna und Andras entschieden sich sogar für die WI4+ Variante Patrí de Droite. Einige von uns stiessen jedoch tiefer ins Tal vor. Theresa, Hannes und Tim E. hatten sich die Route Monday Money vorgenommen, einen WI4-Eisfall, dessen Name nichts mit irgendeiner Währung, sondern mit der nahen Alp Money zu tun hat. Als wir vom Wanderweg nach oben abbogen, sahen wir schon bald einige Kletterer, die sich für die Besteigung von Repentance Super bereit machten. Die steilen 250 Meter WI6 sind eine der schwersten und begehrtesten Routen im ganzen Tal, aber definitiv weit über unserem Skilllevel.

Zu unserer angenehmen Überraschung waren jedoch noch keine Leute am Einsteig von Monday Money, und wir hatten das Privileg, die Ersten zu sein, die dort an diesem Tag kletterten. Hannes begann, die erste Seillänge vorzusteigen, als wir plötzlich einige bekannte Gesichter sahen: Harvey, George und Tim W. hatten ihre Pläne, Patrì zu klettern, verworfen und wollten stattdessen Flash Estivo klettern. Bis sie entdeckten, dass Flash Estivo zu den Routen gehörte, für die ein Kletterverbot wegen der Brutaktivitäten einiger Bartgeier verhängt worden war. So standen sie nun auch am Einstieg von Monday Money, wo sich bereits eine beachtliche Anzahl von Seilschaften eingefunden hatte, als Theresa und Tim E. Hannes in die erste Seillänge folgten.

Hannes steig auch die zweite Seillänge vor, bis Tim für die dritte Seillänge übernahm, was sich als die Schlüsselstelle der gesamten Route herausstellen sollte. Die Linie war steil, heikel und nicht immer offensichtlich, und eine beträchtliche Menge an Spindrift machte die Sache nicht einfacher. Im Gegenteil, unter diesen Bedingungen wurde das Abenteuergefühl auf ein Maximum gesteigert, aber auch das Gefühl der Belohnung, nachdem man den Stand erreicht hatte. Die nächste Seillänge war lediglich ein kleiner Übergang zur letzten Seillänge der Route, die nach der Mittagszeit der Sonne ausgesetzt ist und daher oft nicht in gutem Zustand ist. In diesem Jahr präsentierte sie sich jedoch als durchaus kletterbar. Oben gab es ein paar heikle Züge auf morschem Eis, aber schliesslich konnte man den Eispickel mit einem beruhigenden Bums in das gefrorene Gras am Ausstieg schwingen. Hier genossen wir sogar ein paar kurze Momente in der Sonne, bevor wir mit dem Abseilen begannen.

Wir trafen Harvey, George und Tim W. an dem Stand der zweiten Seillänge, der ziemlich überfüllt war, da eine andere Seilschaft bereits viel Platz beanspruchte, als wir versuchten, uns hineinzuzwängen. Der Tag war schon ziemlich fortgeschritten, und alle wollten nun zurück zum Einstieg der Route. Es dauerte eine Weile, bis wir das Gewirr von Seilen und Schlingen in den Griff bekamen, aber schliesslich schafften es alle sicher nach unten. Auf dem Rückweg trafen wir auf Christoph, Alicia, Jess und Tom. Sie hatten einen schönen Tag beim Klettern in Patrí verbracht, im Gegensatz zu dem einen spanischen Kletterer, den sie einen Vorstiegssturz hatten hinlegen sehen während er der dabei eine Eisschraube herausriss. Auf dem Weg zum Parkplatz erzählte Christoph lebhaft, wie er mit ansehen musste, wie der sichtlich erschütterte Kletterer von seinem teilnahmslosen Partner zum Weiterklettern überredet wurde. Abschliessend lässt sich sagen, dass der erste Tag bereits sehr ereignisreich war, während jeder mit dem Spindrift zu kämpfen hatte, der an diesem Tag durch den starken Wind verursacht wurde.

Während des Abendessens schmiedeten alle eifrig weitere Pläne, und am nächsten Tag machten sich acht von uns auf, um É Tutto Relativo zu klettern. Diese Route weist einige relativ leichte Seillängen sowie einen steilen WI4-Pfeiler auf, was sie zu einem perfekten Ziel für Kletterer mit unterschiedlichem Vorstiegslevel macht. Das Wetter war immer noch hervorragend, der Himmel war wolkenlos und das Morgenlicht reflektierte einen goldenen Schimmer von den umliegenden Berggipfeln. Christoph stieg als erster in die Route ein, Tom folgte ihm, und bald kletterte auch Bas mit Janna und Andras im Schlepptau. Als letzte Gruppe begannen Alyssa, Georgia und Tim E. Zu klettern. Die steile Säule, die die zweite Seillänge bildete, war eine beeindruckende Formation. Das Eis war dick und senkrecht, aber die Route war von vielen Kletternden gut ausgepickelt, so dass diese Seillänge trotz des beängstigenden Aussehens reine Genusskletterei war. Die letzte Seillänge war im Vergleich dazu recht moderat, und schon bald stapften alle den Ausstiegshang entlang.

Der Tag war noch jung, also hielten wir alle Ausschau nach weiterem Eis zum Klettern. Als wir den absteigenden Spuren folgt, konnten wir bald Christoph in der zweiten Seillänge einer unbekannten Route sehen, die er entdeckt hat. Sie wies eine ziemlich heikle Querung vom Standplatz aus auf, sah aber vielversprechend aus. Als Alyssa mit dem Klettern der ersten Seillänge begann, begannen die anderen Gruppen bereits mit dem Abseilen. Als Christoph an Alyssa vorbeikam, nutzte er die Gelegenheit, um im strahlenden Nachmittagslicht ein paar Fotos zu schiessen und ihr ein paar zusätzliche Eisschrauben mitzugeben. Georgia und Tim E. folgten Alyssa, mussten aber leider darauf verzichten, die interessanter aussehende zweite Seillänge zu klettern, da diese nun vollständig der heissen und unerbittlichen Sonne ausgesetzt war.

Zurück im Hotel wurden eifrig Gespräche über die Abenteuer des Tages geführt, und jeder hatte eine Geschichte zu erzählen. Die Gruppe von Harvey, Tim W. und George – inzwischen einfach als „The British Expedition Team“ bekannt – hatte sich tief ins Valeille-Tal vorgewagt. Nachdem sie einiges an Trailbreaking auf sich nehmen mussten, liessen sie die Massen an Kletternden hinter sich, um den abgelegenen, steilen WI5-Wasserfall namens Ecknaton zubesteigen. Für Tim W. und George, die noch relativ neu im Eisklettern sind, war dies ein ehrgeiziges Ziel, dem sie sich aber wacker stellten. Währenddessen ging es bei Daniel und Mariana sowohl um Länge als auch um Schwierigkeit. Das von ihnen gewählte Ziel – Cold Couloir, mit WI4+ bewertet – war nicht weniger als 16 Seillängen lang! Ausserdem genossen Jess, Theresa und Andrés eine wunderschöne Route, die einige von uns bereits im letzten Jahr geklettert waren: Pattinaggio Artistico hat einen etwas fragwürdigen Zustieg, macht dies aber mit mehreren schönen, mittelschweren Seillängen um WI3 herum mehr als wett.

Das Wochenende war bereits ein grosser Erfolg gewesen, aber alle waren noch eifrig dabei, Pläne für den letzten Tag zu schmieden. Bevor wir jedoch das Abendessen verliessen, gab es noch eine kleine Feier. Christoph hatte es geschafft, einen Kuchen für Jess zu organisieren, die ein paar Tage zuvor Geburtstag hatte, und mit Hilfe des freundlichen Hotelpersonals konnten wir die Überraschung sogar mit ein paar Kerzen vervollständigen.

Am Sonntag entschieden sich die meisten für kürzere Ziele, um zu einer nicht allzuspäten Zeit nach Zürich zurückzukehren. Aber eine Gruppe, bestehend aus Theresa, Hannes, Christoph, Alyssa, Georgia und Tim E., beschloss, dass sie zwar mit Cogne fertig waren aber stattdessen ein neues Tal erkunden wollten. Das Valsavarenche-Tal ist abgelegener als die Täler von Cogne und deshalb auch weniger populär, bietet jedoch trotzdem einige sehr schöne Eisfälle. Um den sonntäglichen Menschenmassen zu entgehen, fuhren wir aslo nach Aosta hinunter und dann ins Valsavarenche-Tal, um den Ausgangspunkt einer WI3-Route namens Rovenaud zu erreichen. Der Zustieg sollte vom Parkplatz aus nur 15 Minuten dauern. Es dauerte etwas länger, einschliesslich einiger Meter querfeldein, aber schliesslich standen wir am Fuss der ersten Seillänge. Es war vielleicht nicht die ökonomischte Entscheidung, mit Seilschaften am selben Wasserfall zu stehen, aber in guter Gesellschaft kam lässt sich das Warten ertragen. Christoph und Alyssa kletterten zuerst, Theresa und Hannes folgten ihnen, während Georgia und Tim E. die Nachhut unseres Ansturms auf das Eis bildeten. Die erste Seillänge bot eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Auswahl und fühlte sich eine ganze Weile recht steil an, bevor der Winkel nachliess. Nach einem kurzen Fussmarsch gelangten wir an den Start der nächsten Seillänge, wo wir über leicht geneigtes Eis zu einem Standplatz in einer gemütlichen kleinen Höhle gelangten. Von hier aus musste man einige heikle Bewegungen machen, um zu einem kurzen Stück mit hartem, vertikalem Eis zu traversieren, bevor man etwas leicher über jedoch recht dünnes aus zum letzten Standplatz kam. Es war eine angenehme Route und die perfekte Art und Weise, vier super Eisklettertage in Italien zu beenden.

Das Wochenende war ein grösserer Erfolg, als jeder von uns hätte erwarten können. Einige schwangen zum ersten Mal die Eisgeräte, während sie sich schnell mit dem Eiskletterfieber ansteckten. Für andere gab es mehrere erste Vorstiegslängen – ein Beweis für die raschen Fortschritte, die viele im Laufe dieser paar Tage machten. Und für viele der bereits erfahrenen Eiskletterer war es die perfekte Gelegenheit, ihre Vorstiegsfähigkeiten weiter auszubauen. Bis zum nächsten Jahr!

Bericht und Fotos: Tim Egner